Epilog: Tour de Honneur

  1. Etappe: Tirana-Duerres. 43 km, 72 Höhenmeter

Nun also doch noch eine Etappe. Von der Hauptstadt nach Duerres, von wo mich die Fähre nach Ancona bringt. Bevor ich das Rad in ein Taxi stauche, fahre ich die 40 Kilometer halt doch nochmal selbst. Wiewohl ich jetzt zwei Tage ganz raus bin aus der Tretmühle und wenig Verlangen spüre, wieder körperlich Verantwortung zu übernehmen, rechtzeitig an einem Zielort zu sein. Der Beraterkreis vor Ort hat entsprechend freundlich Druck aufgebaut. Eine Tour de Honneur würde die Tortour de Tirana ganz wunderbar abrunden. Ehrenrun-de nennt man die letzte Etappe einer Rund-fahrt, bei der die Führenden sich nicht mehr attackieren. In dem Fall würde ich mich nicht mehr angreifen. Also gut. Die Ehrenrunde hält, was sie auf der Karte verspricht:

Entlang der Autobahn geht’s durch endlose Industriegebiete, vorbei an Fabriken und Werkstätten, an skelettierten Bauruinen und wilden Müllkippen. Eine schöne Antitour zum teils futuristischen Tirana.

Tirana Tower

Die Endstation Duerres hat dagegen vom byzantinischen Marktplatz bis zum römischen Amphitheater alles was klassischerweise, die Antike so aufzubieten hat. Wäre ich früher aufgestanden, hätte ich die Fahrt womöglich sogar mit einem Schlenker über Rhohozine verbinden können.  Dort empfängt der aktuelle Tabellenführer der albanischen Liga Egnetia heute Partisan Tirana. Das Spiel wurde kurzfristig in die Planung der Groundhoppergruppe aufgenommen.

Der Auftritt von KF Tirana vor gut 500 Zuschauern in der fast nagelneuen Air Albania Arena, mehr Shoppingmall als Stadion, hat die starke Sehnsucht nach einem weniger sterilen Fussballerlebnis genährt – wenn schon winzige Kulisse, dann auch winziges Stadion. Für mich war das jetzt nicht mehr zu schaffen. Dafür Zeit, um nochmal auf den letzten Kilometern die Gedanken kreisen zu lassen: Was ist die Bilanz nach 1309 Kilometern, 13424 Höhenmetern und einer Tube Rei. Warum tut man sich sowas an?  Wahrscheinlich, um sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. In andere Schwierigkeiten, die im Alltag normalerweise keine Rolle spielen: Schwierigkeiten rechtzeitig an Essen zu kommen, Schwierigkeiten mit der Leistungsfähigkeit  des eigenen Körpers, Schwierigkeiten an anderen Orten und mit anderen Geräten. Schwierigkeiten, die harmlos genug sind, um sie mit etwas Anstrengung lösen, aber so zahlreich, um dich den ganzen Tag auf Trab zu halten. Und garantieren, dass man keine Sekunde über die vertrauten Probleme nachdenken kann. Eine etwas anstrengende Art die Festplatte zu formatieren. Ausserdem: Wann hat man schon mal die Möglichkeit als Einzelner so ausgiebig und umsonst ein kollektives Gut zu nutzen, das einfach so herumliegt: Eine riesiges Straßen und Wegenetz, samt Infrastruktur, dass dich dich bis ins letzte Dorf bring. Bleibt das Geheimnis, warum eine Landschaft, die durch die Autoscheibe ganz genauso aussieht, mit dem Rad soviel intensiver erfahren und genossen wird. Vielleicht setzt es ja Endorphine frei, wenn man die Topographie eigenfüssig abtastet. So begeistert, dass man seine meint Mikroabenteuer auch noch mitteilen zu müssen. 

Vielen Dank an alle,  die mich zu der Reise und dem Blog überredet haben und unterstützt haben – Paul, Michael, Frank. Bernd und alle Leser*innen und Kommentator*innen!

1 Gedanke zu „Epilog: Tour de Honneur“

  1. Lieber Dietrich,
    a la bonheur!
    Toll war es dir folgen zu können, zu dürfen! Super unterhaltsam und was mich angeht, neidisch machend.
    Ums Festplatte formatieren gehts doch fast immer. Ausmisten, sich auf das wirklcih wichtige besinnen, Neues genießen, den Körper er-fahren, feststellen, dass die meisten Probleme kleiner sind, als sie einem vorkommen, wenn man direkt davoir steht und dass fast alle leichter lösbar sind, als vielleicht befürchtet!
    Bis ganz bald,
    Paul

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