6. Etappe: RAB – Zadar 118 km, 1082 Höhenmeter
Mit dem Ruhetag geht es bei mir wie mit dem Ausschlafen. Du fühlst dich danach noch geräderter als zuvor. Was genau, so fragt man sich, will der Körper mir damit mitteilen?Wahrscheinlich, dass er gerne übergangen werden möchte. Ok,iIch versuch‘s.
Schwieriger schon, den Ruf nach einem anständigen Frühstück zu ignorieren. Die kroatischen Bars servieren fast ausschließlich Kaffee, aber kein Croissant oder Ähnliches. Ein Nachteil der günstigen Apartmentlösungen, die einem um diese Jahreszeit förmlich nachgeworfen werden. Ich muss also ungetankt losfahren.
Dafür gabs ja gestern Nacht im Restaurant im Urlaubsapartmentwohngebiet zwei Gänge auf einmal. Samt „Anhängen“ und „Zubehör“ selten gewordene Übersetzungsstilblüten. Trotzdem ist so ein Kaltstart immer ein Risiko – ich fühle mich zwar als Antriebsmaschine ( s.o.) verfüge aber leider nicht über eine Tankanzeige. Vielleicht kann die Evolution das mal gelegentlich nachbessern. Die Kriterien für die optimale Unterkunft verschieben sich für Bikepacker sowieso. Lage, Stil Größe eher egal, wichtig ist, dass es der Kleidung gutgeht und sie ausreichend Möglichkeiten zum Duschen und vor allem Trocknen hat. In dieser Hinsicht hab ich’s bisher gut getroffen. Der Heizlüfter ist hier weitverbreitet und am Zielort in Zadar gibt es ein Überangebot an Handtüchern, unverzichtbar, wenn man die Wäsche ohne Heissluft trocken bekommen will. Der Weg dahin ist ein weiterer Höhepunkt der Reise. Um den Traum vom Inselhopping zu verwirklichen, musste ich um diese Jahreszeit meine Route rund um den Fährplan des Ein-Schiff-Unternehmens Rapska Plovdiba stricken. Nur die bringt dich mit ihrem Bötchen in der Nebensaison von RAB nach LUN an die äußersten Spitze der Insel Pag, Aber nur alle zwei Tage. Es gibt also einen gewissen Druck tatsächlich um 11:30 in RAB City zu sein. Gut 10 km. Doch die dauern.
Ich muss ja noch die Parole entziffern die da in Riesenlettern an die Parkbucht gepinselt wurde. Ob die surreale Poesie das Werk von Ultras oder des GoogleÜbersetzer ist., kann nur der Deep L Check klären:
Alles geht zu Ende, alles verschwindet mit dieser Freude, so viel Schmerz, das Leben jedem das Seine, wenn vielleicht jeder anders wäre, zumindest in einer Sache, sind sich alle einig bis zum Hajduk, aber es gibt keinen Staat
Und jetzt alle, im Poljud 🙂
So. RAB Hafen wäre schon mal geschafft. Einem sehr schüchternen jungen Kellner kaufe ich zum Kaffee einen Kuchen ab, Hauptsache was im Tank. Am Anleger treffe ich tatsächlich auf den ersten anderen Bikepacker.
Nathan aus Wales passt auf mein Rad auf, während ich noch schnell meinen Ersatzkanister mit Bananen fülle. Als ich zurückkomme ist das Rad schon mit drei anderen am Bug verstaut. Benni und Linda aus Konstanz wollen auch nach Albanien.
Und der Weg führt nur über Lun mit der Maslina, wenn man der Küstenstraße entkommen will. Sie sind schon zwei Tage hier. Die Überfahrt am Mittwoch fiel wegen schlechtem Wetter aus! Eine großzügigere Tourplanung hätte also grad mal gar nichts gebracht, der Fährmann kann einfach nicht überplant werden Heute: Bilderbuchwetter. Wir legen ab von der Insel, die schon viele Mächte ihr eigen nannten -? Römer, Venezier, Franzosen, Italiener. Und jetzt wird sie seit langem jede Saison von den Deutschen besetzt.
In Lun trennen sich unsere Wege – erstmal wieder. Das Paar zeltet und ist wie Nathan schwer bepackt Der hat ein Sabattical und will bis nach Aserbaidschan. (!) Dagegen ist Villach -Tirana ja ein Eintagesklassiker. Ich werde von ihm um meine sieben Kilo beneidet. Bisher hielt ich mich für überladen, aber mit Zelt und einem Jahr Reisezeit wird aus bikepacking in packedbiking.
Pag ist zu Beginn das versprochene traumhaft verkehrsfreie Nadelöhr – ungefähr einen Kilometer breit. Links und rechts sieht man das Meer und dahinter das gigantische Velebit bzw. die steilen Berge von Cres Losinj. Meine Hoffnung, dass ich hier einfach geradeaus durchfahren kann haben mich getrogen.
Die Aussichten zwingen mich immer wieder zu Fotostopps Die Landschaft ist von kniehohen Natursteinmauern durchzogen – als führe man durch eine Ausgrabungsstätte. Doch das sind nicht Reste von Grundmauern sondern der Versuch ein paar Quadratmeter felsfreien Boden freizuräumen. Wenig erfolgreich wie der Blick hinter die Mauern zeigt. „Ich werfe dir auch mal einen Stein in den Garten“ – würde ich in Kroatien eher mal nicht sagen
An einer Baustellenampel treffe ich Nathan wieder. Wir beschließen zusammen zu essen. Tanken war im Riva in Nedelja nicht möglich es wurde Genuss draus. Man serviert uns die bislang beste Mahlzeit der Reise: Meeresfrüchte auf Mangold und Kartoffel. Und Nathan hat schon Frankreich und Italien durchquert. Wir trennen und erneut – ich will ja Zadar bei Tageslicht erreichen doch schon wenige Kilometer später sind wir wieder zusammen. Inzwischen haben wir den Zubringer zur Autofähre passiert und wir wollen wie geplant die nun stärker befahrene Hauptstraße verlassen um die Route links am Berg vorbei nehmen – wie Komoot vorschlägt, vor der ein Straßenschild warnt ? Wir wagen es und werden mit einer üblen Schotterpiste und einer spektakulären Landschaft belohnt:
Eine Landzunge von Pag hat sich erfolgreich von jeder Vegetation befreit. Sie liegt da wie eine erstarrte Sanddüne oder ein gestrandeter Wal an der Bucht. Schön trifft’s nicht ganz. Irre schon eher.
Auch die beiden Deutschen treffen wir auf der Piste wieder. Zurück auf der Szrasse jage ich auf flachem Gelände vorbei an Salzfeldern Richtung Zadar. Ob Passat, Bora oder ein anderer Wind, der seine Namensrechte an VW verkauft hat, dahintersteckt? Ich kanns dir nicht sagen Bernd, hab’s einfach mitgenommen. Noch zwanzig Kilometer gen Südwesten dann bin ich in Zadar;
Und stehe gerade rechtzeitig zum Sunset am Kai mit hunderten Untergangsanbetern – Dazu spielt hier die Meeresorgel, ein Instrument das ausschließlich von den örtlichen Winden beherrscht wird. Nach Quartiernahme im 2. Stock, und Schnellwaschgang nehme ich um 21:30 mit Nathan noch zwei Bier in der Altstadt, die Freitags schon einen Hauch von Hauptsaison atmet. Die wichtigen Dinge werden besprochen: Seine Liebe zu Tottenham, die Lage der Waliser und sein Versuch beim Radfahren über seine weitere Karriere als Möbeldesigner nachzudenken. Fazit: Der Fluch von Cane bleibt, als Waliser ist man per Geburt Labour und beim Bikepacking kann man keine Sekunde über was anderes nachdenken. Trapped in the Moment.
Rückenwind, großartig. Und mit einem Landsmann des großen G. Unterwegs. So muss es sein